Beitrag vom 04.03.2024

Flexibilität im Fokus: Warum Anpassung das A und O für Gründungsteams ist


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von Juliane Friedrichs

In der volatilen Welt von Gründer*innen ist Anpassung entscheidend für Erfolg oder Misserfolg, was sich aber gerade für Teamgründungen komplex gestaltet. Zusätzlich zum Aufbau eines Geschäftsmodells muss das Team als Einheit funktionieren und begrenzte Ressourcen, fehlende Strukturen und Emotionen managen. Wie gelingt die Entwicklung einer funktionierenden und flexiblen Teamdynamik? Dieser Artikel gibt Einblicke in die aktuelle Forschung zu Teamanpassungsprozessen in Gründungsteams.   

 

Anpassung in Gründungsteams: Ein Überblick 

In der europäischen Gründungslandschaft werden Unternehmen zunehmend im Team gegründet. Das bedeutet, dass mindestens zwei Personen gemeinsam an einer Gründungsidee arbeiten und für dessen Umsetzung gemeinsam verantwortlich sind. Folglich müssen nicht nur Gründer*innen selbst ihre Aufgaben und Strukturen an sich verändernde Gegebenheiten während der Gründung anpassen, vielmehr müssen sie auch als Team ihre Zusammenarbeit entsprechend koordinieren und verändern.

Allerdings fehlen bisher systematische Forschungsergebnisse zu den spezifischen Anpassungsprozessen und Einflussfaktoren in Gründungsteams. Dieses Wissen wäre hilfreich um Teams auf den Umgang mit Herausforderungen vorzubereiten und so die allgemeine Erfolgsrate von Gründungen zu steigern. Um hier Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir 42 Interviews mit Early-Stage Teamgründer*innen geführt und analysiert. Im Folgenden gehen wir auf ausgewählte Befunde ein und erklären, welche Mechanismen und Auslöser bei Teamanpassungsprozessen eine Rolle spielen.

 

Strukturelle Anpassung - Den Arbeitsmodus neu denken

Wie effektive Zusammenarbeit im Team aussieht, variiert je nach Phase der Unternehmensgründung und den damit verbundenen Aufgaben. Während zu Beginn der Gründung in der Regel die Hauptaufgabe darin besteht, das identifizierte Problem am Markt zu benennen und hierfür Lösungsansätze zu entwickeln, müssen in späteren Phasen Produkte oder Dienstleistungen konzipiert und Prozesse und Strukturen implementiert werden um die Gründung voranzutreiben. Unsere Daten legen nahe, dass in den Anfangsphasen der Gründung eine effektive Zusammenarbeit hauptsächlich durch offene Diskussionen und Ideenaustausche geprägt ist. In dieser Frühphase erscheint dieser Arbeitsmodus besonders förderlich, um Entscheidungsprozesse zügig voranzutreiben. Mit zunehmender Projektkomplexität bilden sich Rollen und Zuständigkeiten im Team (z.B. der/ die Finanzexpert*in). Dieser Wechsel von einem kollektiven „Wir-Machen-Alles-Gemeinsam“-Arbeitsmodus hin zu fest definierten Rollen und Verantwortungsbereichen ist ein kritischer Anpassungsprozess. Er ermöglicht dem Team, auch bei steigenden Anforderungen weiterhin effizient zu arbeiten. 

 

Daraus ergibt sich die Frage: Wann genau ist der richtige Zeitpunkt, den aktuellen Arbeitsmodus im Team anzupassen? Die Antwort könnte in verschiedenen Auslösern für diese Anpassung liegen:

(1) Ein plötzlicher Anstieg in der Anzahl der anfallenden Aufgaben, bspw. bei Markteintritt,

(2) komplexer werdende Aufgaben, wie etwa der Aufbau und die Standardisierung von Unternehmensstrukturen und Prozessen oder

(3) die Kooperation mit externen Stakeholdern wie Kapitalgeber*innen, da diese feste Ansprechpartner*innen erwarten.

 

Die Rolle der „Loslassen“-Mentalität und des Vertrauens 

Es zeigte sich in den Interviews, dass Anpassungsprozesse nicht immer reibungslos verliefen. Die Hürde lag allerdings weniger in der formellen Etablierung von Rollen, als vielmehr in deren unvollständiger Umsetzung im Alltag. In einigen Fällen arbeiteten Teammitglieder weiter an Aufgaben, die formell nicht mehr in ihren Zuständigkeitsbereich fielen. So schilderte eine Gründerin, dass sie trotz der formellen Verantwortung ihres Mitgründers für den Vertrieb trotzdem an Kundenterminen teilnahm. Diese fehlende Umsetzung im Alltag resultierte häufig in Konflikten, einer verzögerten Aufgabenbearbeitung und beeinträchtigte so letztendlich den Gründungsprozess. 

 

Warum gelang die Anpassung des Arbeitsmodus in manchen Teams, aber nicht in anderen?  

Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Fachkompetenz der Gründungsmitglieder entscheidend ist, um formale Rollenzuweisungen erfolgreich umzusetzen. In Teams mit hohem Vertrauen funktionierte der Anpassungsprozess diesbezüglich meist reibungslos. Im Gegensatz dazu verhinderte mangelndes Vertrauen, dass Verantwortung effektiv delegiert wurde. Studien haben bereits gezeigt, dass insbesondere Gründer*innen Schwierigkeiten haben, Aufgaben und Verantwortung abzugeben. Es ist einfach, zu sagen, dass jemand jetzt für den Vertrieb verantwortlich ist. Es ist jedoch eine ganz andere Herausforderung, ihm oder ihr tatsächlich die Freiheit zu geben, diese Rolle auch auszufüllen. Vor diesem Hintergrund, scheint gerade Vertrauen in die Fachkompetenz der Mitgründenden ein wesentlicher Baustein zu sein, um Loslassen zu können und Verantwortung abzugeben.  

 

Praxis-Tipps für effektive Teamanpassung

  • Regelmäßige Team-Check-Ins: Setzen Sie wöchentliche oder monatliche Meetings an, um den aktuellen Stand der Zusammenarbeit zu überprüfen: Wo gibt es Reibungspunkte? Was läuft gut? Passen die Art und Weise, wie man zusammenarbeitet noch zur aktuellen Situation? 
  • Klare Verantwortlichkeiten: Machen Sie die Rollen und Aufgaben jedes Teammitglieds transparent und besprechen Sie regelmäßig, ob Anpassungen nötig sind. Halten Sie dies am besten schriftlich fest.
  • Feedback-Kultur etablieren:  Eine offene, ehrliche und konstruktive Kommunikation fördert Vertrauen.
  • Transparenz und Verlässlichkeit: Je mehr Informationen geteilt werden, desto weniger Raum gibt es für Unsicherheit und Misstrauen. Dies gilt sowohl für Teamziele als auch individuelle Verantwortlichkeiten. 
  • Loslassen üben: Um das Vertrauen in die Teammitglieder zu stärken, kann es sinnvoll sein, Aufgaben in einer Pilotphase abzugeben und später gemeinsam zu evaluieren.

 

Das Fachgebiet Wirtschaftspsychologie an der Universität Kassel

Unter der Leitung von Prof. Dr. Sandra Ohly erforscht die Abteilung das menschliche Erleben und Verhalten im Arbeitskontext. Dabei liegt der Forschungsschwerpunkt auf dem Wohlbefinden während der Arbeit und nimmt Bezug zu verschiedenen Aspekten der Arbeitsgestaltung wie Führung, Zusammenarbeit, Kreativität und Eigeninitiative, Techniknutzung, Routinen bei der Arbeit bis hin zur Selbst- und Emotionsregulation. 

Aktuelle Forschungsprojekte umfassen Gründungsteamdynamiken, Führen in Zeiten von Unsicherheit und Krise, Empathie in der Führungskommunikation und die gezielte Rekrutierung von proaktiven Personen. 

 

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