Beitrag vom 15.08.2023

Patrick Mijnals über Crowdfunding


Teaser

bettervest Ideengeber Patrick Mijnals im Interview

von Gabriele Hennemuth

Patrick Mijnals ist Ideengeber der Crowdfunding-Plattform bettervest, die Energieeffizienz-Projekte finanziert. Im Beitrag erzählt er, wie die Idee zu der Plattform entstanden ist und wie sich der Fokus verändert hat. Schließlich gibt er noch wichtige Tipps für Anleger*innen und Unterstützer*innen.

Sie sind Ideengeber von bettervest und waren dort viele Jahre Geschäftsführer der Crowdinvesting Plattform zur Finanzierung von Energieeffizienz-Projekten. Wie ist die Idee entstanden und mit welchem Konzept sind Sie gestartet?
Ich habe bettervest 2012 mit vier Mitgründer:innen gestartet. Anfangs haben wir uns ausschließlich auf Energieeffizienzprojekte fokussiert.

Idee war, dass die „Crowd“, also ganz normale Bürgerinnen und Bürger, Geld zur Verfügung stellen, damit Energieeinsparprojekte umgesetzt werden und Energieeinsparungen erzielt werden können. Aus diesen Einsparungen resultiert dann über die Jahre eine Rückzahlung für die Crowd. 
Ein Projekt war beispielsweise der Austausch der Heizung durch ein Blockheizkraftwerk oder das Ersetzen einer konventionellen Beleuchtung durch LED-Licht. So haben wir ungenutzte Energieeffizienz-Potenziale durch Crowdfunding umsetzt.

Bettervest war eine der ersten Crowdfunding-Plattformen, die über eine Vielzahl an Unterstützer*innen Energieeffizienzprojekte finanziert hat und die Investoren an den Erträgen beteiligt hat. Wie ist die Idee entstanden?

2006 habe ich bei einer Recherche für das Zukunftsinstitut von „Tribewanted“ erfahren: Für ein paar 100 £ wurden 5.000 Mitglieder gesucht, die sich an der Finanzierung einer Südseeinsel beteiligen und dafür ein Aufenthaltsrecht bekommen sollten. Die Dauer des Aufenthalts war abhängig von dem gezahlten Einsatz. Damals war es komplett neu, über das Internet vermittelt, Leute für so ein Projekt zusammenzubringen. Es hat mich total fasziniert, dass der Traum einer Insel im Südpazifik für alle verfügbar und zugänglich wurde.  

Dieses Prinzip, eine Gruppe von Menschen zusammenzubringen, die gemeinsam eine Projektidee oder ein Projekt finanzieren, hat mich nicht mehr losgelassen. Ich habe mir überlegt, wie dieses Crowdfunding-Prinzip für Nachhaltigkeitsprojekte genutzt werden könnte. Als Schüler hatte mich das Buch „Faktor 4: Doppelter Wohlstand – halbierter Naturverbrauch“ von Ernst Ulrich von Weizsäcker beeindruckt, in dem es darum geht, wie immens groß unsere Energieeffizienz-Potenziale sind, die aber nicht genutzt werden. Und so entstand die Idee, diese Potenziale mit Hilfe von Crowdfunding umzusetzen.

Wo steht bettervest heute nach 10 Jahren? Welche Projekte werden kuratiert?

Wir sind unserem Grundgedanken treu geblieben, aber unser Fokus liegt heute auf allen Formen von nachhaltigen Energieprojekten weltweit: Es geht nicht mehr nur um Energieeffizienz, sondern auch um erneuerbare Energien. Und es geht nicht mehr nur um Projekte in Deutschland, sondern vor allen Dingen solche in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Mittlerweile werden über 90 % der Projekte im Ausland umgesetzt, die meisten auf dem afrikanischen Kontinent. Aber auch in Indien und Südamerika hat es schon Projekte gegeben.

Wieso setzt sich bettervest heute hauptsächlich für die Finanzierung von Projekten in Schwellen- und Entwicklungsländern ein?

Viele Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern kämpfen mit eklatanten Finanzierungsschwierigkeiten, was auch ein Grund war, hier aktiv zu werden. Unser Produkt wird hier gebraucht!

Wir arbeiten mit Partner*innen wie u.a. der GIZ, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit oder, UK Aid, einer Entwicklungsorganisation in Großbritannien, zusammen, die vermittelnd, beratend und zum Teil fördernd tätig sind. Die Projekte selbst werden von professionellen Unternehmen umgesetzt, die in der Region Erfahrung haben mit dem Einsatz der jeweiligen Technologien etc. Die genannten Institutionen unterstützen vermittelnd, beratend oder fördernd.  Es gibt sowohl multinationale Organisationen, mit denen wir in Kontakt sind als auch Partner vor Ort. Außerdem kooperieren wir mit Verbänden, die sich z.B. um dörfliche Elektrifizierung kümmern. In den letzten Jahren konnten wir über 100 Projekte mit einer Investitionssumme von mehr als 20 Mio. Euro umsetzen.

Wie akquiriert bettervest Projekte? Wie löst bettervest die Herausforderung, auf der einen Seite passende Energievorhaben für die Plattform zu begeistern und auf der anderen Seite genug Unterstützer*innen zu finden?

Wir haben auf der einen Seite Unternehmen oder in der Vergangenheit auch Vereine und Genossenschaften die Projekte durchführen und eine Finanzierung suchen. Anfangs mussten wir die Unternehmen davon überzeugen, ihr Projekt nicht über eine Bank oder aus anderen Geldquellen zu finanzieren, sondern das Vorhaben bei bettervest zu präsentieren. Auf der anderen Seite haben wir Privatpersonen, die Investitionen tätigen, die dann über die Plattform gebündelt in ein Projekt hineinfließen.

Zu Beginn haben wir Kaltakquise betrieben und mit Unternehmen gesprochen, von denen wir überzeugt waren, dass sie Energieeinsparpotenziale haben, die sie mit unserer Hilfe heben können. Um diese Gruppe zu erreichen, haben wir viel über Kooperationen und Verbandsstrukturen gearbeitet.

Mittlerweile ist es so, dass viele Projekte direkt auf uns zukommen. Gerade in dem Bereich der Finanzierung von erneuerbaren Energien in Schwellen- und Entwicklungsländern bewegen wir uns in einer kleinen Community und haben uns über die Jahre einen Namen gemacht.

2006 war das Prinzip des Crowdfundings noch recht unbekannt. Welche Plattformen kamen auf den Markt und wie entwickelte sich die Branche?

Anfangs gab es in Deutschland Startnext, Companisto und seedmatch. Bettervest war die erste Plattform, die den Fokus auf Energie legte. Und es kamen viele weitere Plattformen mit einer Spezialisierung, z.B. auf Immobilien, Sportvereine, Naturschutz oder Bildungskredite, nach. Wir begannen, uns als kleiner Branchenverband untereinander zu organisieren. Dann sorgte ein Fall, der eigentlich überhaupt nichts mit Crowdfunding zu tun hatte, für Furore: Mit der Insolvenz des großen Windkraftbetreibers Prokon verloren viele Anleger hohe Beträge und der Gesetzgeber beschloss, den Finanzmarkt stärker zu regulieren. Diese Auflagen trafen auch viele kleine Crowdfunding-Modelle und in der Folge verschwanden Plattformen vom Markt, während die Verbliebenen sich weiter professionalisierten. Durch die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen waren die Betreiber gezwungen, sog. „Vermögensanlagen-Informationsblätter“ mit Fakten, Chancen und Risiken zu beschreiben und bei der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) einzureichen, die die Angaben formell prüfen. Einen Fall wie Prokon hätte das zwar nicht verhindert, aber letztlich sorgt es zumindest für bessere Vergleichbarkeit und Transparenz im Markt.

Am Ende ist eine Investition in ein Projekt über eine Crowdfunding- oder Crowdinvesting-Plattform immer mit einem Risiko verbunden. Die Investition wird als Nachrangdarlehen behandelt und kann auch komplett ausfallen, sei es, weil sich das Geschäftsmodell nicht trägt oder es zu Rechtsstreitigkeiten kommt. Dieses Risiko sollte sich jedem Anleger bewusst sein. Auf der anderen Seite ist es natürlich das Interesse jeder Plattform, nur erfolgversprechende Projekte aufzunehmen und Kriterien zu entwickeln, um das Risiko für die Unterstützer*innen zu minimieren. In einer „Due Diligence“ werden die Projekte u.a. auf Umsetzbarkeit, die rechtlichen und finanziellen Aspekte überprüft, bevor das Projekt freigegeben wird.

Ich beobachte auch, dass immer mehr Anleger eben nicht nur auf die Rendite schauen, sondern auch auf den ökologischen oder sozialen Impact des Projektes. Wenn durch das Projekt die Elektrifizierung von Menschen in entlegenen Regionen ermöglicht wird, bedeutet das eben eine massive Verbesserung der Lebensqualität vor Ort. Bei einem anderen Projekt auf bettervest geht es darum, effizientere Kochherde zu finanzieren, die die Abholzung von Wäldern reduzieren. Dieser Impact ist den Anlegern neben einer Rendite auch wichtig bei der Unterstützung der Projekte auf bettervest.

Welche Projekte eigenen sich für eine Plattform wie bettervest?

Ich glaube für den Erfolg der Projekte kommt es darauf an, dass die Projektstarter die Crowd für ihr Projekt begeistern können. Auch wenn mein Projekt nur für eine Handvoll Personen interessant ist, ich diese Nische aber gut erreiche und in der Community unterwegs bin, dann ist das Projekt erstmal gut für Crowdfunding geeignet. Projekte, die „anfassbar“ sind und besser kommunizierbar, haben es auch leichter als komplizierte Geschäftsmodelle. Aber am Ende kommt es auf die Kommunikation an. Und auf die Frage: Was haben die Unterstützer davon? Es gibt sehr viele unterschiedliche Varianten: Es gibt Projekte, die quasi „Spenden“ sammeln und im Gegenzug kleine Dankeschöns vergeben. Dann gibt es Projekte, die Geld einsammeln, um die Produktion vorzufinanzieren. Als Dankeschön gibt es dann die hergestellten Produkte. Und dann gibt es auch die Möglichkeit, in Unternehmen zu investieren und vom zukünftigen Erfolg zu profitieren. Hierbei werden Personen angesprochen, die das Invest als Geldanlage nutzen und Renditeerwartungen haben. Bettervest sehe ich dazwischen: Wir bieten die Chance, in sinnvolle Projekte zu investieren und damit eine Rendite zu erzielen. Es gibt einen ökologischen oder sozialen Impact, aber auch eine Rendite.

Mein Tipp für Unterstützer*innen:
Breit diversifizieren und in mehrere Projekte und Assets investieren. Ein großer Vorteil beim Crowdfunding ist ja gerade, dass man mit kleinen Beträgen in unterschiedliche Projekte investieren kann. Bettervest hat sogar Mindestinvestments ab 50 Euro, sodass Anleger ihr Geld breit über verschiedene Projekte streuen können. 

Ich selber habe natürlich schon in viele Energieprojekte bei bettervest investiert. Daneben habe ich aber auch einen kleinen Beitrag geleistet, um einige Startups oder die Produktion interessanter Produkte bei verschiedenen anderen Plattformen vorzufinanzieren: Zuletzt einen zusammenklappbaren Fahrradhelm, der hoffentlich bald hergestellt wird und das diverse Kinderbuch des Kasseler Verlags Bliblablub.


Sie sind inzwischen nicht mehr bei bettervest aktiv, was machen Sie stattdessen? 

Ich bin gemeinsam mit einigen Mitgründer*innen, der Triodos Bank und weiteren impactorientierten Investoren noch immer Gesellschafter von bettervest. Somit bin ich an strategischen Entscheidungen weiterhin beteiligt, operativ aber inzwischen komplett draußen. Meine Zeit bei bettervest war mein praktischer Einstieg in das Thema „Sozialunternehmertum“ und dem bin ich auch weiterhin treu. Ich begleite und berate Social Entrepreneurs für den Coworking Space Villa Gründergeist und das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V.

Leser*innen aus Hessen, die mit ihren Geschäftsmodellen soziale, ökologische oder kulturelle Wirkung erzielen wollen, können sich gerne bei dem vom hessischen Wirtschaftsministerium finanzierten Sozialinnovator Programm (siehe www.send-ev.de/projekte/) melden. Darüber hinaus habe ich auch einen kleinen Lehrauftrag im Bereich Social Entrepreneurship an der KH Mainz und bin Beirat der Kulturinvestitionsplattform Maezena.de.